Alfred der Schmerzensreiche

Alfred: Rentner, Witwer, Vater
Andi Philosophiestundent, Halbwaise
Sonja: Alfreds Tochter

Sonja legt Wäsche zusammen, Alfred sitzt am Tisch und bastelt an einem alten
Wecker herum. Es ist ein Bild familiären Friedens.

Alfred: Sag amôl, Sonja, hôsch du eigentlich deim Haderlomp jetzt endlich g’schrieba?

Sonja (verdutzt): Wem? Welchem Lomp? I kenn koin.

Alfred (schaut auf) mit Nachdruck: Ha freile kennsch oin. Guat sogar. Hôsch an jô g’heirotet.

Sonja: Also Babba, jetz übertreib’sch aber.

Alfred: So? Tu i des? Ha, nô sag mer amôl, worom der liadrige Krippel bis heit dees
antike Schemele no net g’schickt hôt, wo i dir zur Hochzeit uffg’arbeitet han. Des
han i für di g’macht, net für ihn. Versaufa duat er em Geld, aber der Geizhammel
dät liaber versticka als ebbes wieder rausrücka, was amol zu seiner Haustür
’neitraga worda isch.

Sonja (traurig): Außer mir.

Alfred (zorniger): Siehsch, dô sagsch’s selber! Also, was isch jetzt, hôsch em scho g’schrieba
wega sellem Schemale?

Sonja (sehr zögerlich): Jôôôô … scho!
(Sie beginnt eifrig im Wäschekorb herumzuwühlen und weicht Alfred ganz offensichtlich aus.)

Alfred legt jetzt das Werkzeug aus der Hand (ungeduldig):
Waaaas jô, waaaas scho? Was soll des hoißa? Hosch oder hôsch nett? Schwätz
Mädle da hôsch doch uff’s Schwätza für d‘ Schul studiert!

Sonja (sich verteidigend und lauter werdend):
Jô hoißt: jô! I han g’schrieba, zom Donner. Du mach’sch me no ganz zipfelig mit
deira Grantelei. Was frôg’sch me denn so aus? I ben doch koin Hosascheißer
meh, wo mer romkommandiera ka, wia’s oim baßt!

Alfred: So, aha, g’schrieba hôsch also.
Er wirft ihr einen berechnenden Blick zu, den sie aber nicht sieht, weil sie sich tief über den Wäschekorb beugt.
Ond?

Sonja: Was ond?

Alfred: Ond des Schemele? Wo isch dees?

Sonja: Ach deeeeeees?

Alfred (äfft sie nach): Ja deeeeeees!

Sonja: Ja … i … i woiß net.

Alfred: Was? Du woisch’s net? Worom? Hôt der Pfennigschneider net
z’rückg’schrieba?

Sonja: Doch … scho ….

Alfred: Nô also! Ond?

Sonja: Was ond?

Alfred (springt ärgerlich auf): Also jetzt platzt mer nô glei d‘ Batterie! Sag amôl, ka’sch du net
g’scheit schwätza? Dir muaß mer jô jedes Wort mit em Beißzängle einzeln aus
der Gosch zieha. Wia willsch denn du en der Schual de Kender ebbes
beibrenga? Dia werdet jô Analphabeta bei dir! Noi, nô schlemmer, dia werdet
taubstumm. O Herr laß halta, mit was han i dees verdient? Du woisch doch
ganz genau, was i wissa will, du Lompadog. Also wo hôt er dees Schemele?

Sonja (erst will sie auffahren, dann wird sie kleinlaut):
Gar nemme!

Alfred (japst): Waaaas? Sag dees nomôl uff Französisch, daß i’s au verstand.

Sonja (trotzig):Gar nemme hôt er’s. (Übertrieben hochdeutsch):Es existiert nicht mehr!
Jedenfalls nemme bei ihm, soweit er woiß:

Alfred (sackt am Tisch zusammen): Soweit er woiß? Tja, des kô net b’sonders weit sei, dees
han i scho emmer g’wißt. (Richtet sich auf) Wia soll i dees verstande, es
existiert nemme? Worom woiß er dees net?

Sonja: Weil er’s zu meine andre Sacha en da Keller do hôt … ond wo i ihm g’schrieba
han, er soll mir’s mit mei Zeug schicka, hôt er’s do aber s’Schemele war net
dabei. Es sei nemme dô. Er moint, d’Handwerker hättet’s mitlaufa lassa, aber
g’wieß woiß er’s net.

Alfred (zornig):Ah, so, ond weiter hôsch nix do? Dees Schemele isch weg, nô isch’s halt weg,
oder was?

Sonja (verteidigt sich): Ja, was soll i denn macha, i kô’s jô schließlich net herzaubra.

Alfred (immer wütender werdend): Noi, dees net, aber du könntescht wenigschtens
Schadensersatz verlanga. Des Schemele war eine Koschtbarkeit, ein Unikat,
wo i mit meim Herzbluat zo neuem Leba erweckt han. Du könntescht Träna
vergießa, weil des Schemele sich aus dei’m Leba verabschiedet hôt, weil du
jetzt ohne Schemele leba mua’sch. Du könntescht mir zeiga, daß es dir des
Herz zerreißt, weil … (winkt resigniert ab) … aber was sag ich dô überhaupt.
Dees ischt jô doch bloß Perlen vor die Säu g’worfa …