„Mami, Mami, komm mal raus,
da fliegt ’ne Hexe übers Haus!
Auf einem Besen! An zwei Laschen
hängen sogar Satteltaschen!“
„Unsinn, Kind, das gibt es nicht!
Hat’s nie gegeben! Mach kein Gesicht!
Geh spielen, ich muß fertig kochen,
wegen dir hab‘ ich ein Ei zerbrochen!“
Die Mutter lächelt leicht gequält,
während sie eine Möhre schält.
Doch kaum ist’s in der Küche still,
ertönt erneut lautes Gebrüll.
„Mami, Mami, sie ist gelandet!
Sie sagt, sie ist bei uns gestrandet.
Sie braucht ein bißchen Öl zum Schmieren,
sonst würd‘ sie ihren Wisch verlieren.
Kann ich ihr unsren Öler geben?
Ich hole ihn im Keller eben.“
„Herrgottchen, du bist eine Plage,
hörst du denn nicht, was ich dir sage?
Hexen auf dem Hexenbesen
sind in Märchen nur gewesen!
Es gibt sie nicht und damit Schluß!
Ich hab? genug von diesem Stuß.
Geh raus jetzt, und laß mich in Ruh‘
und bind‘ dir deine Schuhe zu!“
Der Kleine trottet still hinaus,
die Mutter wischt die Schüssel aus.
„Als ob die Hexe wirklich wär‘!
Wo hat der Kleine das bloß her?
Ich hoff‘ er schlägt sich’s aus dem Sinn!“
Die Mutter hackt das Suppengrün
Doch schon kommt Klaus erneut herbei,
diesmal mit lautem Wehgeschrei:
„Oh Mami, sie ist zornig jetzt,
sie sagt, sie hat sich auch verletzt.
Sie braucht das Öl und Wundverband.
Sie muß ganz schnell ins Sauerland.
Dort gibt’s ein Hexen-Sommerfest
Und einen Besen-Sonder-Test.
Hilf ihr, sonst wird sie dich verwandeln,
weil, so läßt sie sich nicht behandeln!“
„Ich? Helfen wem, den es nicht gibt?
Ich glaube, daß es bei dir piept!
Doch du kannst machen, was du willst,
Hauptsache, daß du nicht mehr brüllst.“
Klaus saust blitzschnell zum Werkzeugkeller.
Die Mutter holt die Suppenteller.
„Mann! Hexen! Ph! Der Junge spinnt,
er ist ein wunderliches Kind!“
Sie tritt ans Fenster, schaut zum Tor,
da stößt sie einen Schrei hervor:
Dort schwingt sich grade elegant
auf einen Besen, aus dem Stand,
ein Weib mit feuerroten Haaren,
die länger als der Besen waren.
Sie startet! Winkt! Ein spitzer Schrei!
Und husch! Ist schon der Spuk vorbei.
Klein Kläuschen kommt hereingerannt
– am Herd das Essen riecht verbrannt –
und setzt sich, als sei nichts gewesen,
ganz ordentlich zu Tisch zum Essen.
„Ähm, Kläuschen“, sagt die Mutter da,
„ähm, Kläuschen, was ich eben sah.
Die Hexe eben, vor dem Haus … !“
Da unterbricht der kleine Klaus:
„Die Hexe? Aber Mami nein!
Die Hexe, das kann doch nicht sein!
Hexen hat’s doch noch nie gegeben,
sie können nur in Märchen leben!“
Dann lächelt er geheimnisvoll.
Von fern ein leises Kichern scholl.